THEORIE

Das Kabel

„Jedes Problem, das ich gelöst hatte, wurde zu einer Regel, mit deren Hilfe später weitere Probleme gelöst werden konnten“.
René Descartes 


Jeder Interessente, der sich mit dem Thema Hi-Fi und Akustik beschäftigt, kommt um das Thema Kabel nicht herum. Je nach Ansprüchen und finanziellen Möglichkeiten werden sämtliche Kabel ausgewählt, getestet und die am besten zu allen Kriterien passende eingesetzt. Hört sich einfach an. Es gibt aber bei diesem Vorgang auch eine Alternative: ein eigenes Kabel zu erschaffen.
Das Thema Kabelaufbau ist bei mir im Laufe der Entwicklung eines symmetrischen XLR-Kabel für den Hornlautsprecher REALIST entstanden und hat nach wochenlangen theoretischen Forschungen und unzähligen Versuchen zu einem sehr guten Ergebnis geführt. Dieses Ergebnis möchte ich Ihnen gerne vorstellen.
 
Es gibt in dem ganzen Hi-Fi Bereich kaum ein anderes Thema, das mit so viele Mystifikationen und Voodoo-Techniken verbunden ist. Große renommierten Firmen, kleine Betriebe und begeisterte Tüftler versuchen unermüdlich durch besondere Merkmale eigene Produkte auf dem Markt zu platzieren und durch nur ihnen bekannte „Geheimnisse“ den Preis in das Weltall zu schießen. Aber, was ist eigentlich ein Kabel? Muss es tatsächlich um irgendwelche besondere und geheimnisvolle Eigenschaften verfügen, um unser wertvolles Signal unverfälscht vom A nach B  zu transportieren?  Die Antwort auf diese Frage liegt in den Gesetzen der Natur, die wissenschaftliche Disziplinen wie Physik und Elektrotechnik seit langer Zeit für uns ganz offen gelegt haben. Alles was wir machen müssen – diesen Gesetzen in der Akustik einfach die richtige Anwendung finden.
 
Was wissen wir eigentlich von einer Leitung? In der Regel ist es ein Kabel, das aus zwei Leiter besteht. Nur ein Leiter wäre viel besser, aber das Signal muss zurück zur Quelle nach dem es beim Verbraucher seine Arbeit geleistet hat – dafür braucht es eine Rückleitung. Das ist jedem bekannt, genauso wie die Tatsache, dass je weniger Widerstand ein Leiter hat, desto weniger Verluste erleidet das Signal auf seinem Weg. Der erste Schritt – ein dickeres Kabel zu nehmen. Natürlich aus OFC (Oxygen Free Copper) und am besten noch versilbert. Ist das alles, was wir machen können? Reicht es uns, oder gibt es noch weitere Möglichkeiten, unsere Kabel zu verbessern? Die Antwort ist klar und deutlich:  Ja, natürlich.
An dieser Stelle wird die Elektrotechnik zur Hilfe berufen. Dafür müssen wir ein Kabel als Zusammensetzung aus einigen elektrischen Bausteinen vorstellen. Diese Darstellung wird als Ersatzschaltbild einer Leitung genannt und kann uns helfen, die Prozesse, die in einem Kabel stattfinden, besser zu verstehen.  


 

 
Wie man aus diesem vereinfachten Ersatzschaltbild sehen kann, besteht ein Kabel aus dem Widerstand R, der Induktivität L und der Kapazität C. Die Zusammenarbeit dieser Bestandteile bestimmt die Funktionalität unseres Kabels. Diese elektrische Schaltung, erinnert uns an den Tiefpassfilter der 2. Ordnung, oder? Das ist tatsächlich so: wir müssen ein Kabel als eine Frequenzweiche für den ganzen Frequenzbereich betrachten und das einfach hinnehmen, denn physikalische Gesetze sind unabdingbar.
Solange wir die Problemstellen identifiziert haben, können wir versuchen, ihren Einfluss auf das Signal zu verringern.
  • Das erste Problem ist der Leiterwiderstand. Diese Hürde kann ganz einfach mit einem höheren Querschnitt des Leiters überwunden werden – nichts Neues.
  • Das Nächste – Induktivität. Es gibt zwei Typen der Induktivität in einer Leitung: die innere und die äußere. Dazu würde ich sagen: bei den Frequenzen und geringeren Kabellängen in unserem Hi-Fi Bereich, ist dieser Effekt zwar im Labor messbar, aber so gering, das wir seine Einwirkung auf das gesamte Klangbild einfach vernachlässigen können.
  • Der dritte elektronische Baustein unseres Kabels ist die Kapazität – das Hauptmerkmal eines Kondensators. Die richtige Vorstellung der Funktionsweise eines Kondensators kann uns helfen, seine negative Einwirkung auf das Signal in unserer Leitung deutlich zu verringern.
Kondensator
 
Im Normalfall ist ein Kondensator einfach ein Energiespeicher. Seine Aufgabe ist, die Energie zu sammeln und, wenn nötig, abzugeben. Auf diese Weise leistet ein Kondensator seine Arbeit in einem Netzteil. Das zweite Einsatzgebiet eines Kondensators in unserem wunderschönen Hobby ist eine Frequenzweiche. Wie funktioniert das?
Ein Kondensator lässt dank seiner Konstruktion den Strom nur scheinbar durch. Das Beste hier ist, dass dieses Prozess frequenzabhängig stattfindet. Das bedeutet: die höheren Frequenzen treffen auf weniger Widerstand als die Unteren. Dieses Prozess heißt in der Elektrotechnik Kapazitiver Blindwiderstand und wird mit der folgenden Formel beschrieben:

 

f Frequenz in Hz, CKapazität in µF
 
 
Wie wir sehen, sinkt der Blindwiderstand bei höheren Frequenzen und größeren Kapazitäten, wird aber nie Null. Was bedeutet das für unser Kabel? Ein Großteil der höheren Frequenzen in einem Leiter wird durch den Kondensator einfach in den parallelen Leiter abgeleitet und Zurück zur Quelle geführt. Der Rest kommt stark geschwächt an den Verbraucher. In unserem Fall ist dieser Verbraucher eine Lautsprecherbox oder ein Verstärker. Somit bleibt uns nichts anderes übrig, als die Kapazität des Kabels zu reduzieren. Aber wie?
Die Formel für die Berechnung der Kapazität eines Kabels ist ziemlich kompliziert. An dieser Stelle hilft uns als gutes Beispiel die Formel der Kapazität eines Plattenkondensators:
 

 
A - der Flächeninhalt einer Platte
d - der Abstand der Platten
ɛo - die elektrische Feldkonstante
ɛr -  die Dielektrizitätszahl

Die elektrische Feldkonstante interessiert uns in dem Fall gar nicht, weil wir noch keinen Einfluss auf die Grundgesetze des Universums ausüben können.  Eine Änderung der anderen Variablen ist für uns aber gut möglich.

 
A – die Gesamtfläche des Leiters, die von der Dicke des Leiters direkt abhängig ist. Wir wollen aber keine dünnere Kabel haben, also Finger weg!
 
d – der Abstand zwischen 2 Leitern. Eigentlich, könnte ich an dieser Stelle mit meinem Bericht aufhören weil Sie selbst schon verstanden haben: die einzelnen Leiter im Kabel müssen voneinander getrennt werden, um die unerwünschte Kapazität zu reduzieren. Gesagt – getan, aber was ist mit dem schönen, professionellen Aussehen unserer hochwertigen Anlage? Da wollen wir bestimmt nicht, dass  einzelne Drähte einfach rumhängen – wir müssen die zu einem neuen Kabel zusammenfügen. Dafür kann man z.B. die Abstandhalter verwenden, die ich für meine Kabel entworfen habe.

 


Kabel Abstandhalter

Aber welches Material passt an dieser Stelle am besten?
 
ɛr – die Dielektrizitätszahl, wird auch als Permittivitätszahl genannt, bedeutet die Polarisationsfähigkeit eines Mediums durch elektrische Felder. Das bedeutet, dass für den Abstandhalter zwischen unseren Leitern im Kabel muss ein Material eingesetzt werden, das diesen Wert so klein wie möglich hat. Wir wissen, dass die Luft der beste Isolator ist. Die Dielektrizitätszahl der Luft ist mit der Annährung dem Vakuum gleich und beträgt ca. 1.  Unter anderen  Materialen mit sehr guten Eigenschaften habe ich für meine Kabel das Beste ausgewählt, was uns die Natur anbieten kann: das Holz.

 
Abstandhalter für Lautsprecherkabel
Abstandhalter für Lautsprecherkabel


 
Fazit
 
Nach allen durchgeführten Maßnahmen wurde bei einem 75 cm langen und ca. 18 mm dicken symmetrischen XLR Kabel eine Kapazität von 20 pF Ader-zu-Ader erreicht und damit auf ein absolutes Minimum runter gesetzt.  Wo kommen die restliche 20 pF her? Das sind die Kontakte an einem XLR-Stecker, die jeweils ca. 10 pF aufweisen. Ein Ideales Kabel.
 
Nach dem gleichen Prinzip können und müssen alle analoge Kabel in unserem System gebaut werden um die bestmögliche Klangqualität aus unseren Anlagen raus zu kriegen.

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